-Oh,
Francois, du hast gedacht, dass du gewonnen hast. Francois, du hast wirklich
geglaubt, dass du dieses Mal gewonnen hast. Ein Jahr ist nun verstrichen. Ein
ganzes Jahr, ohne dass du irgendetwas von mir gehört hast. Hast du mich schon
vergessen? Wie könntest du mich jemals vergessen? Wie könntest du den Schwur
von Montreux jemals vergessen. Nein, ich weiß du denkst an mich und du weißt
ich denke an dich. Und wir wissen es voneinander. Der Schwur von Montreux. Wie
könnten wir es jemals vergessen. Wie könnten wir es jemals vergessen. Niemals.
Es war die Nacht in der unser Schicksal besiegelt wurde. Alles was wir haben
und alles was wir nicht haben, dass ist diese Nacht schuld. Ich hasse dich,
mehr als alles andere auf dieser Welt. Nur mich, mich hasse ich noch mehr. Dass
ich es zugelassen habe. Aber ich bin dir auch dankbar. Dankbar für diese
Grausamkeiten. Dankbar für die Definition. Nur die letzte Grausamkeit hat alles
übertroffen. Glaubst du es hat mich gebrochen? Glaubst du, dass du gewonnen
hast? Oder fürchtest du diese Nacht? Fürchtest du, dass ich gleiches mit
gleichem vergelte? Wenn du das wirklich glaubst, dann mach dich auf etwas viel
schlimmeres gefasst. Wenn du das nicht glaubst, dann verhöhne ich dich für
deine Naivität. Aber es ist egal. Alles ist besiegelt. Die Rache sei mein. Ich
warte auf deinen nächsten Zug. Mein Zug ist geplant. Nichts kann mich noch
aufhalten. Nichts. Der nächste Zug muss nur noch exekutiert werden. Die Rache
sei mein. Die Rache sei mein. Die Rache sei mein. Hahahaahahahaha...-
Wer
klopft da an der Türe?
-Herr
Krüger?-
-Maria,
sie sind noch da?-
-Herr
Krüger ist alles in Ordnung bei ihnen?-
-Sie
können jetzt gehen, Maria.-
-Aber
Herr Krüger...-
-Maria,
sie können jetzt gehen.-
-Herr
Krüger...-
-Ich
habe mich klar genug ausgedrückt. Sagen sie Sergej er soll sie nach Hause
bringen und dann soll er selber nach Hause fahren. Ich wünsche ihnen ein
gesegnetes Weihnachtsfest. Kommen sie bitte erst am 28. wieder.-
-Haben
sie denn....?-
-Maria
machen sie sich bitte um mich keine Sorgen. Ich habe alles was ich brauche. Es
ist alles in die Wege geleitet.-
-Aber
was werden sie denn heute Abend essen?-
-Ich
habe Uwe beauftragt mir heute Abend ein Mahl zuzubereiten. Er wird es vom
Restaurant bringen. So wie jedes Jahr.-
-Der
Schwan?-
-Der
Schwan.-
-Herr
Krüger, ich hätte doch...-
-Nichts
kann diese Tradition brechen. Nichts.-
-Sehr
wohl, Herr Krüger.-
-Maria,
sie haben eine Familie, kümmern sie sich um sie. Sie haben noch eine Familie.
Im Gegensatz zu mir. Genießen sie ihre Tage. Ihr Jahr war anstrengend genug.
Warten sie. Ich habe noch eine kleine Aufmerksamkeit. Einen Moment bitte.-
-Aber
Herr Krüger.-
-Moment,
bitte.-
Wo
habe ich denn den Umschlag hingetan? Ich bin so zerstreut die letzten Tage.
-Ach
hier ist er ja. Maria. Ihnen und ihrer Familie ein gesegnetes Weihnachtsfest
und dann sehen wir uns am Morgen des 28. wieder. Es reicht wenn sie um 10 Uhr
kommen.-
-Herr
Krüger, gibt es denn wirklich nichts, was ich für sie...?-
-Sie
können nur gehen. Danke. Genießen sie die Tage.-
-Herr
Krüger...-
-Maria,
weinen sie bitte nicht. Weinen sie doch bitte nicht.-
-Herr
Krüger, es ist nur so...-
-Weinen
sie nicht um die Vergangenheit, wir haben noch immer die Zukunft. Und jetzt
gehen sie bitte.-
-Vielen
Dank, der werte Herr.-
Eine
Träne in meinem Auge. Aber ich kann nicht mehr weinen. Ich kann nicht vor Maria
weinen. Ich dachte alle Tränen sind verweint. Endlich geht sie. Maria ist so
liebenswert. Aber manchmal begreift sie es nicht. Sie ist eine so treue Seele.
Beinahe zu treu. Eine Treue die sie schon fast dumm macht. Eine Liebe die sie
erblindet. So wie alle Liebenden. Ich bemitleide sie alle. Oder waren es nur
die 2000 Franken in dem Umschlag auf die sie gewartet hat? Ist es die Liebe für
das Geld? Sind wir nicht alle gleich? Oder vielleicht bin ich nur die dumme,
treue Seele? Was soll es. Vielleicht sind wir alle nur dumm und treu.
Vielleicht sind Francois und ich auch nur dumm und treu einander. Vielleicht...
Unsinn. Francois und meine Feindschaft ist das edelste und ehrlichste was wir
je besitzen konnten. Francois, ich bin dir so dankbar. Du hast mich letztes
Jahr so reich beschenkt, in dem du mir alles genommen hast. Nur der verbitterte
Hass ist geblieben. Du hast in stärker gemacht. Aus den Flammen der Vergeltung,
schau da wird ein Phoenix emporsteigen. Warte nur, was ich für dich vorbereitet
habe, dieses Weihnachtsfest. Hahahahahahahahahahahaha...-
Da
unten ist Maria und Sergej. Maria steigt ein. Endlich. Sergej schaut noch
einmal hoch. Er schaut noch einmal hoch in meine Augen. Um sich zu
vergewissern. Aber er weiß, dass ich es ernst meinte. Sein Blick. Ich weiß,
dass er mich begriffen hat. Wie viel
ein einfacher Blick doch sagen kann. Ein Schwur, eine Verpflichtung, eine
Demut, ein Wille, die Kraft, die Unterworfenheit, eine dunkle Hochzeit.
Zwischen ihm und mir. Ein Versprechen. Mehr als eine Arbeit. Eine Aufgabe. Ein
Verlangen. Oh Francois, unsere morbide Lust war schon immer unser wertvollster
Besitz. Gleiches mit gleichem zu besiegeln. Und noch mehr. Die Balance des
Schmerzes wieder herzustellen. Francois entweder zu brechen oder in Zugzwang zu
bringen. Aber was will er mir denn noch nehmen? Wenn der Plan aufgeht, wovon
ich fest überzeugt bin, dann kann ich nur siegen. Sergej wird mir diesen Triumph
bringen. Aber wird es mein Endsieg sein? Wird dann alles enden? Oder kann nur
unser Tod das Ende sein? Da fährt Sergej langsam den Wagen die lange
verschneite Einfahrt hinunter. Vielleicht sollte ich das Fenster öffnen. Ja ich
werde es öffnen. Wie schön der Neuschnee doch unter den Reifen knirscht. Wie
schön der Motor sich doch anhört und wie schön der Schnee den Rest des Lärms
verschluckt. Welche Grazie. Die Präzision von Maschine und Natur. Im Einklang
des Schicksals. Der Winter ist meine
Lieblingszeit. Vielleicht auch weil ich im Winter geboren wurde. Vielleicht ist
es das. Und dort verschwinden die beiden nun hinter der Kurve. Auch wenn ich
der reichste Mann des Genfer Sees bin, auch dann kann mir das Geld keine Liebe
kaufen. Das Leben eines Großindustriellen ist so einsam. Oder war ich schon
immer einsam? Und hat mich mein Schicksal an diesen Ort gebracht? War alles
immer besiegelt? Es war anders als Karin und Norbert junior noch hier waren.
Aber haben wir uns nicht schon immer betrogen? Ist Betrug nicht die Grundlage
der menschlichen Beziehungen? Aber das ist vorbei. Das erste Weihnachtsfest
alleine. Ich kann alles haben, was sich ein Mann kaufen kann. Aber Liebe, Liebe
die gibt es nicht zu kaufen. Mein Leben ist nun so leer. Francois hat mir alles
genommen. Nur unsere Feindschaft nicht. Könnte er mir denn das auch nehmen? Das
wäre die schrecklichste seiner Taten. Oder könnte ich es ihm nehmen? Aber es
ist zu spät. Sergej ist schon bestellt. Ich kann und will es nicht mehr
rückgängig machen. Vielleicht hätte ich... aber es ist zu spät. Da hinten war
Sergej doch noch mal zu sehen, es waren die Rückleuchten. Und wie majestätisch
der Genfer See doch von hier oben aussieht. Der kalte Wind treibt die
zärtlichen Schneeflocken umher, bis sie lustvoll in dem leicht gekräuselten
Wasser verenden. Eis wird zu Wasser wird zu nichts. Ein Kristall wird zu
nichts. So wie wir alle. Es geht doch nur um den Flug, wie konzentriert man ist
und wie lustvoll man zu nichts verendet. Der Neuschnee hat alles weiß getauft.
Ich bin so dankbar für diesen Anblick. Eine neue Unschuld die wir nun
betrügen müssen. Es klingelt an der
Pforte. Wer kann das sein? Ob es schon Uwe ist?
-Ja?-
-Herr
Krüger. Ich bin es Pierre.-
-Ach
Pierre, ich hätte sie fast vergessen. Kommen sie doch.-
Ach
Pierre, der gute alte Pierre, ein Mann dessen Loyalität nie erlöschen wird.
Seit all den Jahren kommt er.
-Guten
Abend Herr Krüger. Es ist wieder Weihnacht und ich dachte, dass wir an unserer
Tradition festhalten, auch wenn dieses Jahr...-
-Sehr
wohl, Pierre. So soll es sein. Sehr wohl. Kann ich ihnen etwas anbieten?-
-Herr
Krüger, ich bitte sie...-
-Ich
habe hier einen ganz vorzüglichen Cognac.-
-Herr
Krüger. Ich habe das Trinken drangegeben.-
-Bitte
was?-
-Drangeben
müssen. Der Doktor hat es mir verboten. Sie erinnern sich. Herr Doktor Müller,
zu dem sie mich geschickt haben.-
-Der
Herr Doktor Müller, er wird ein Glas Cognac zu diesem besonderen Anlass
entschuldigen.-
-Wenn
sie meinen Herr Krüger. Ich will ihnen aber auch nicht zur Last...-
-Wovon
reden sie Pierre, welche Last? Seit all den Jahren, wie sie kommen und immer an
uns gedacht haben. Ich fürchte, dass ich ihnen eine Last bin.-
-Herr
Krüger ich bitte sie.-
-Moment,
Pierre, ich möchte ihr Glas nur kurz anwärmen. Der Cognac kann auf
Zimmertemperatur nicht voll zur Geltung kommen.-
-Trinken
sie denn nicht mit?-
-Pierre,
entschuldigen sie bitte die Unhöflichkeit, aber ich möchte diese Nacht nüchtern
bleiben.-
-Sehr
wohl.-
-Ich
wusste nicht, dass sie gesundheitliche Beschwerden haben, Pierre.-
-Herr
Krüger, in meinem Alter spricht man nicht mehr von den Wehwehchen die man hat.
Mein alter Körper muss zur Ruhe kommen. Meine Frau und ich denken darüber nach
wieder zurück in die Berge zu gehen.-
-Werden
wir uns nächstes Jahr denn wieder sehen, Pierre?-
-Herr
Krüger, selbstverständlich werden wir uns wiedersehen. Nichts kann unsere
Tradition brechen. Auch nicht die Distanz oder Krankheit. Aber es ist Zeit,
dass wir unsere Wohnung hier aufgeben. Die Miete...-
-Wenn
es nur daran liegt, Pierre. Warum haben sie nie etwas gesagt. Für finanzielle
Unterstützung, da war ich mir noch nie zu schade. Und das wissen sie gut
genug.-
-Darum
geht es nicht, Herr Krüger. Es ist auch so, dass die Bergluft mir besser
bekommt. Wir müssen uns auch zurückziehen aus dem Trubel der Stadt. Es ist mir
mittlerweile alles zu viel. Das Engagement mit der Philharmonie hat geendet..-
-Es
hat geendet. Wer hatte die Frechheit? Moment ich werde sofort Jean Luc
anrufen.-
-Lassen
sie bitte. Es war meine Entscheidung.-
-Sie
können nicht ohne die Philharmonie leben. Und die Philharmonie kann nicht ohne
sie leben.-
-Wir
müssen es lernen.-
-Pierre,
wie konnten sie nur? Musik ist ihr Leben. Ohne Musik sind sie niemand mehr.-
-Herr
Krüger, jede Liebe bricht irgendwann entzwei. Es war an der Zeit au revoir zu
sagen. Wir hatten ein so wundervolles Leben. Aber es ist Zeit für mich. Ich
muss mich zurückziehen. Der Herr Doktor hat es mir geraten.-
-Nach
den Feiertagen werde ich ihn anrufen und fragen was man für sie tun kann.-
-Man
kann nichts mehr für mich tun. Herr Krüger ich bin ein alter Mann, der sein
Leben gelebt hat.-
-Dann
trinken sie bitte diesen exzellenten Cognac. Auf ein wundervolles Leben, auf
ein Leben, welches nur der Musik gewidmet war. Der beste Geiger den die Welt je
gesehen hat. Ich wünschte ich wäre fähig nur annähernd so gut wie sie zu
spielen. Ein gottgegebene Gabe. Trinken sie auf den Moment jetzt. Dass der
Zufall uns damals zusammen gebracht hat und dass wir jetzt hier beieinander
sein dürfen.-
-Der
Cognac, er ist wirklich ausgezeichnet.-
-Wollen
sie denn noch einen haben?-
-Herr
Krüger, ich darf wirklich nicht.-
-Dann
darf ich sie bitten sich noch ein wenig im Salon auszuruhen. Uwe wird jeden
Moment kommen. Wir halten es für 19 Uhr wie üblich, wenn sie nichts dagegen
haben, Pierre.-
-Es
ist ihr Haus. Ich stehe in ihrer Schuld.-
-Lassen
wir das. Ruhen sie sich ein wenig aus. Sie kennen sich aus. Bedienen sie sich
bitte. Fühlen sie sich wie zu Hause. Auf dem Tisch stehen ganz vorzügliche
Kekse aus Florenz.-
Das
Telefon klingelt? Wer kann das sein? Ob es Karin ist? Sie würde es nicht wagen.
Ob es Norbert Junior ist? Ich glaube es nicht. Ob es Francois ist. Wer weiß.
Ich werde nicht abnehmen. Dieses Mysterium wird mir den Abend versüßen. Wenn es
wichtig ist, dann ruft die Person wieder an. Es klingelt erneut. Aber diesmal
an der Türe. Das muss Uwe sein. Mein Gott. Es ist schon kurz nach 6. Er ist
spät dran. Vielleicht werde ich ihm kündigen. Ich dulde diese
Disziplinlosigkeit nicht. Oder sollte ich noch einmal Güte walten lassen? Wer
weiß. Vielleicht gibt es einen Grund. Dennoch. Zu spät ist zu spät.
-Ja,
bitte?-
-Herr
Krüger. Uwe hier-
-Es
wird auch Zeit.-
-Herr
Krüger machen sie sich keine Sorgen.-
Keine
Sorgen machen, keine Sorgen machen. Es ist immer dasselbe mit diesen Köchen.
Nie soll man sich Sorgen machen. Alles ist immer im Griff. Das ist auch so ein
Schlag von Mensch. Ich weiß es nicht. Man kann sie nicht ändern.
-Guten
Abend Herr Krüger.-
-Guten
Abend Uwe. Sie sind spät dran.-
-So
leid es mir tut. Aber der Schwan wurde so spät geliefert. Und ich konnte ihn
nicht heißer garen, damit die Saftigkeit...-
-Ich
will es nicht wissen. Erklärungen interessieren mich nicht, dass müssten sie
mittlerweile wissen. Fakt ist, dass sie spät sind und ich habe darüber
nachgedacht sie fristlos zu kündigen.-
-Herr
Krüger, ich bitte sie. Ich habe eine Frau und zwei Kinder. Ich habe eine
Hypothek.-
-Es
interessiert mich nicht. Jeder ist für sich verantwortlich. Jeder ist seines
Glückes Schmied.-
-Herr
Krüger.-
-Seien
sie bitte still und bringen sie das Essen rein.-
-Jungens,
kommt macht voran. Worauf wartet ihr?
Ach
hat er diesmal seine Lehrlinge mitgebracht? Die sind auf Zack. Das gefällt mir.
-Jungens
hier lang, macht voran.-
-Oui,
chef.-
Oh,
diese Disziplin. Es gibt sie ja doch noch bei den jungen Menschen. Diese
Ehrfurcht. Diese wundervolle Ehrfurcht in ihren Augen.
-Was
haben sie denn wundervolles gezaubert, Uwe?-
-Genau
das wie sie es verlangt haben. Wie jedes Jahr. Keine Veränderung.-
-Hervorragend.-
-Schicken
sie dann Margaret zu mir morgen hoch, damit sie abräumen kann.-
-Aber
ich habe doch unseren Oberkellner Mauro...-
-Uwe,
ich will Mauro hier nicht sehen. Auch wenn er sich Mühe gibt, aber Italiener
habe ich noch nie gemocht. Bei denen muss man immer vorsichtig sein. Mit dem
Temperament und allem. Mauro soll zu Hause bleiben. Margaret soll morgen vor
der Mittagszeit vorbeikommen.-
-Sehr
wohl, der Herr.-
-War
es das dann, Uwe?-
-Wenn
es das von ihrer Seite war.-
-Uwe,
hier eine kleine Aufmerksamkeit an sie.-
-Aber
Herr Krüger. Das kann ich unmöglich...-
-Sie
wissen was das ist?-
-Sicher
weiß ich was das ist. Das ist ein Original Oishi, 74mal gefalteter Stahl, ein
extrem seltenes Exemplar. Wenn ich richtig informiert bin, dann ist dieses
Meisterwerk schon 20 Jahre vergriffen.-
-Ich
weiß es ist bei ihnen in guten Händen. Ich selber benutze es nicht mehr. Ich
habe das Kochen drangegeben. Seit letztem Jahr...-
-Herr
Krüger, sie waren doch so ein wundervoller Koch. Lassen sie diese Flamme der
Leidenschaft...-
-Uwe,
ich verbiete ihnen mit mir über so etwas zu reden. Meine Entscheidung ist meine
Entscheidung.-
-Sehr
wohl der Herr.-
-Wo
sind die beiden Jungens?-
-Wieder
am Auto.-
-Holen
sie sie nochmal rein.-
-Jungens,
kommt nochmal rein.-
Oh,
diese Ehrfurcht. Diese Unschuld dieser zwei Jünglinge. Die Demut vor Macht. Und
der Wille dorthin emporzusteigen. Aus dem Nichts. Aus dem Schoße einer Mutter
die Furcht der Untergebenen zu betrachten. All das in ihren Augen. Diese
Unschuld. Diese Schüchternheit. Diese Disziplin. Aber auch der Wille alles für
Geld zu tun. So wie es bei mir damals war. Wie wundervoll die Jugend. Und wie
nichtsahnend sie doch sind. Vielleicht ist das die ewige Schönheit.
-Kauft
euren Eltern etwas schönes, wenn ihr euch auf den Weg nach Hause heute macht.-
-Vielen
Dank der Herr.-
Und
wie sie sich mit gesenktem Blick nun abwenden. Welche Freude. Es ist mehr Geld
als sie im Monat verdienen. Und wie unbedeutend doch Geld für mich nun ist.
Wenn man kein Geld hat, wie wichtig es für einen ist, und wenn man es hat, dann
wirkt das alles wie eine himmlische Komödie. Wie wundervoll und absurd unser
Leben doch ist.
-Uwe,
vielen Dank wieder einmal.-
-Keine
Ursache. Sie verzeihen mir doch meine Unpünktlichkeit, oder?-
-Ich
werde darüber nachdenken müssen. Gehen sie nun und genießen sie das
Weihnachtsfest.-
-Herr
Krüger, das Restaurant hat doch die Feiertage über offen.-
-Achso
das hätte ich fast ganz vergessen. Was ist denn gebucht?-
-Voll
wie üblich.-
-Dann
will ich sie nicht von der Arbeit abhalten.-
-Vielen
Dank Herr Krüger, ihnen dann noch ein gesegnetes Weihnachtsfest.-
-Ihnen
und der Familie dasselbe. Und versprechen sie mir nie wieder zu spät zu
kommen.-
-Ich
verspreche es ihnen.-
Es
ist eigenartig, wie sehr die Menschen doch in ihrem finanziellen Trott gefangen
sind. Ich glaube nicht an Uwes Loyalität. Er sagt nur Ja und Amen wegen seiner
Familie und der Hypothek. Es ist so lachhaft. Wessen Intention ist noch pur?
Die Welt ist verrottet. Nichts existiert noch grundlos. Nur Francois und meine
Feindschaft ist grundlos. Und das schenkt ihr den Grund. Das macht uns zu
Freunden. Zu wirklichen Freunden. Weil wir immer an einander denken. Wie
wundervoll das Sinnlose in der heutigen Welt ist. In einer Welt in der alles
etwas sein muss. Alles erklärt werden muss, alles einen Grund haben muss, alles
einen Wert haben muss. Und wie sehr wir den Luxus verloren haben etwas
scheinbar nutzloses genießen zu können. Oh es ist schon kurz vor 7. Zeit in
mein Beobachtungssaal zu gehen.
-Pierre?-
Er
hat mich nicht gehört.
-Pierre?
Kommen sie doch bitte mal.
-Ja
bitte?-
-19
Uhr. Wenn die Glocken geschlagen haben, dann beginnen sie bitte die Zeremonie.-
-Jawohl.-
-Ich
werde mich für eine Weile in mein Arbeitszimmer zurückziehen müssen. Fangen sie
bitte ohne meine Anwesenheit an zu spielen. Ich werde sie auch von oben hören
können.-
-Sehr
wohl, Herr Krüger, ganz wie sie wünschen.-
Es
ist Zeit. Ein Zittern hat mich befallen. Ein Zittern der Erwartung. Ein Zittern
der Angst. Hat Sergej triumphiert? Werden die Nachrichten am 27. in der Zeitung
stehen? Werden sie mich verdächtigen? Vielleicht wäre es besser Sergej zu
entlassen. Ihn gehen zu lassen. Irgendwohin, wo keiner nach ihm fragt. Mit
einer Summe, die ihn für immer schweigen lässt. Auch wenn das Komissariat sich
nicht einmischt. Aber es kann nichts mehr geleugnet werden. Und siehe da. Kann
ich die Flammen sehen oder bilde ich es mir ein? Nein tatsächlich. Durch das
Fernrohr kann ich es flackern sehen. Francois. Jetzt musst du dir einen neuen
Schachzug ausdenken. Francois, diese lachhafte Kopie meines Hauses auf der
anderen Seite des Sees. Was hast du dir gedacht? Das weiße und schwarze Taj
Mahal? War es das? Eine einfache Kopie? Eine Herausforderung? Deine Verachtung?
Du weißt noch nichts. Jetzt wo du in dem Chalet in Interlaken bist, mit deiner
Muse. Wozu brauchtest du Karin und Norbert Junior? Es war nur ein Diebstahl. Du
hast sie nie gebraucht. Du wolltest mich nur verhöhnenUnd jetzt, jetzt nehme
ich dir deinen kostbarsten Diebstahl. Und alles flackert lichterloh. Wer ruft
denn schon wieder an? Wer stört mich in dieser Ruhe? Vielleicht wäre es besser
wenn ich das Telefon abmelden lasse. Und wer lässt es so oft klingeln? Die
Flammen, sie verrichten ihr Werk. Sergej, dein Weihnachtsgeschenk ist das
schönste. Und die Flammen verzehren nun alles. Selbst der Marmor bricht. Die
Scheiben zerbersten. Karin, es ist besser so. Die Schuld die du uns gebracht
hast, an dem Tag als du gegangen bist. Über uns, über Norbert Junior. Über dich
und über mich. Wie sie sich alle die Mäuler zerrissen haben.
-Hahahahahahahaha.-
Und
ich nehm mir alles wieder zurück. Es ist 19 Uhr. Die Glocken haben geläutet.
Pierre spielt schon. Oh wie wundervoll. Im teuflischen Glanz, im Schimmer der
Flammen. Mein Ebenbild verglüht. Und diese himmlische Musik von unten. Es ist
Zeit essen zu gehen. Langsam gehe ich hinunter. Langsam. Alles ist genau zu
beobachten. Alles ist zu fühlen. Jeder Atemzug. Jeder Schritt. Diese kostbare
Zeit. Alles ist zu genießen. Das Bewusstsein ist zu sensibilisieren. Totale
Konzentration. Oh, diese Musik. Und der Geruch des Schwans. Ich werde nichts
anderes anfassen. Nur den Schwan. Es ist egal, was noch da ist. Ich will nur
dieses pure Fleisch des Schwanes. Langsam gehe ich hinab. Der Geruch, die
Musik, dieses Flackern in meinem Herzen. In dieser Melancholie schwimmen ohne
zu ertrinken. Oh, wie wundervoll Pierre spielt. Und der Hall in dem Saal. Wie
wundervoll. Ich bin ein Mann. Vollstens verantwortlich. Bei vollstem
Bewusstsein. Der Genuß des Triumphes. Der Genuß der absoluten Zerstörung. Der
Genuß etwas Edlem. Ich bin der Überbringer. Dieses Gemälde es erinnert mich an
uns. Dieses Gemälde von der Schlacht in Byzanz. Das Blut fließt. Weil es das
muss. Wir sind einander bestimmt. Mehr als alles andere. Francois. Isst du
jetzt auch Schwan? Wer war vorher da? Ich oder du? Kopierst du mich oder ich dich?
Oder wir uns einander.
-Pierre,
spielen sie nur.-
Der
Schwan. Ein weiteres Meisterwerk von Uwe. Ich kann ihn unmöglich feuern. Dieses
zarte, dennoch zähe Fleisch. Dieses Aroma. Ist es möglich? Kann es möglich
sein, dass ich den Qualm rieche? Das brennende Haus von Francois? Kann es sein,
dass der Qualm so weit dringt? In meine Nase, in meine Seele?
-Norbert.
Norbert.-
-Was?-
-Norbert,
tickst du noch sauber?-
-Was,
was ist passiert? Karin was ist hier los?-
Warum
schlägt die mich denn?-
-Hast
du noch alle Tassen im Schrank, warum schlägst du mich?-
-Beate,
heiß ich. Und wer ist Karin. Wer verdammt nochmal ist Karin?-
-Hab
ich Karin gesagt, Karin, äh Beate?-
-Ich
will jetzt wissen wer Karin ist.-
-Keine
Ahnung wer Karin ist, aso ja, die Frau in dem Traum.-
-Du
träumst von einer Karin? Das ist ja schön. Habt ihr denn auch gefickt.-
-Quatsch.
Was ist das hier für ein Qualm überhaupt?-
-Du
bist eingepennt und du hast die Weihnachtsgans verkohlen lassen.-
-Was,
das kann doch nicht wahr..-
-Ja,
sicher kann das wahr sein. Guck dir die Scheiße mal an.-
-Das
kann doch wirklich nicht...-
-Du
hast mich gebeten dir eine zweite Chance zu geben, das hab ich getan. Und die
hast du versaut. Ich kann nichtmal aus dem Haus und mir die Nägel machen lassen
für die Feiertage.-
-Aber...-
-Nichts
aber, Norbert. -
-Die
ist nur kross... äh...-
-Die
ist nicht kross, die ist total verbrannt. Und der Rotkohl, scheiße, den hast du
ja auch anbrennen lassen.-
-Aber...-
-Nein.
Weihnachten fällt dieses Jahr ins Wasser. Die Geschäfte haben bereits zu. Du
bekommst nur noch an Tankstellen etwas. Dann müssen wir zum Guido und zur
Michelle. Die hat die Knusperente vom Kaufland, hier die mit den Pfannkuchen
und der Hoisin Soße.-
-Nein
wirklich nicht. Nicht zur Michelle und nicht die Knusperente.-
-Überleg
es dir. Ich geh zu denen hin. Du kannst ja hier bleiben. Aber ich weiß nicht
was du wirklich essen kannst. Oder, ne ich weiß, du kannst ja mal die krosse
Gans versuchen. Und zu allem Übel...-
Wer
ruft denn jetzt noch auf dem Betriebshandy an?
-Moment
mal Beate, halt doch mal den Schnabel.-
-Ja,
Herr Direktor.-
-...
.-
-Das
ist nicht möglich.-
-...
.-
-Das
kann nicht sein.-
-...
.-
-Rohrbruch
im Keller.-
-...
.-
-Die
haben wir doch vergangene Woche...-
-...
.-
-Materialfehler,
würde ich dann...-
-...
.-
-Wie
Gutachter?-
-...
.-
-Wie
können sie denn einen Gutachter anrufen, wenn ich noch gar nicht...-
-...
.-
-Ja
sicher war ich am Handy. Hier hat keiner angerufen.-
-...
.-
-Die
ganze Zeit.-
-...
.-
-Sofort
Herr Direktor.-
-...
.-
-Ich
fliege. 10 Minuten max.-
-Was
ist denn da wieder los, Norbert?-
-Ich
muss zur Arbeit, da ist ein Rohrbruch, ich weiß nicht wie lange das dauert.-
-Und
dann am Feiertag. Typisch. Wenn das Arschloch anruft, dann springst du.-
-Tut
mir leid. Ich muss da jetzt hin. Arbeit geht vor. Ich hab ja schon die zweite
Verwarnung bekommen. Ich glaub die wollen mich wippen. Ich muss da jetzt hin.-
-Tu
was du tun musst. Ich fahr gleich zum Guido und zur Michelle.. Wenn du früh
genug fertig bist, dann komm da noch hin. Oder du musst Butterbrote hier essen.
Frohe Weihnachten.-
-Aber
Beate.-
-Nichts
Beate.-
-Aber
Beate.-
-Frohe
Weihnachten hab ich gesagt.-
-Die
Rache sei mein.-
-Was
hast du da gerade gesagt?-
-Ich?
Ich hab nichts gesagt, Beate.-
-Du
hast doch gerade da was gesagt.-
-Frohe
Weihnachten hab ich gesagt.-
-Ja,
frohe Weihnachten. Und das kannst du auch deiner Karin ausrichten.-