Sonntag, 1. März 2015

Zeitkapsel


(Erinnerungen an Gary Oldman in The Firm, nach dem Streit mit seiner Frau, ganz beiläufig)

 Kinderzimmer

Wenn man geht. Aber nicht so richtig. Oder nicht so richtig gehen gelassen wird. Oder wenn die Eltern nicht noch ein drittes Bügelzimmer brauchen. Oder oder. So sitze ich zumindest hier. Das Schicksal mit dem ein oder anderen teilend. So sitze ich hier in meiner Zeitkapsel. Die damals in Ordnung war. Aber heute mittlerweile in Kategorie retrochic fällt ohne retro in Anspruch nehmen zu können. Zu Hause. Zu Hause? Zu Hause. Eins von dreien. Oder so. Zwischen zwei Terminen wartend. Zeit totschlagen. Die üblen Notwendigkeiten abgearbeitet oder gekonnt ignoriert. Von 180 auf Null und die Panikanflüge des Nichts in ihrer noch milden Form, zumindest. Und jetzt kriecht die Stille umher. Die Stille, die sich breit macht durch die fehlende Aufgabe und die fehlende Beschäftigung und dadurch, dass mein Fernseher vor Jahren ausgebrannt ist. In diesem Raum, dem man keinen Uneingeweihten mehr zeigen kann. Und selbst die alten Eingeweihten müssen schmunzeln. So sitzen wir hier oben. Ich weiß noch wie eigenartig es war das erste Mal mit meiner zukünftigen Frau hier rein zu gehen. Die Angst, dass sie das Kind in mir sieht. Und wir sitzen zusammen hier oben. Nicht viel sagend. Sie wippt zufrieden im Ikeasessel, der zur Heizung umplaziert wurde und arbeitet sich durch das mittlere Sudoku. Meine Anflüge von Langeweile lassen meine Augen in das Regal wandern und wandeln den Status langsam in willkommende lange Weile. Die Augen wandern über die CD Rücken, über die Bücherrücken, durch die Plattenkiste. Und ich wunder mich, wie ich all das Geld für den Plunder ausgeben konnte. Scham und Fremdscham beim Erblicken der Snow Informer Maxi. Celtic irgendwas Sampler, den ich nie durchgehört habe. Japanische Gärten, den Band den ich mir nie wirklich angesehen haben. Ein Kochbuch welches damals schon überholt war. Tests die die Zeit nicht bestanden haben. Wohlwissend hab ich zumindest schon vor Jahren das Manowar Poster abgehangen. Das hab ich damals schon begriffen. Es wäre eigentlich an der Zeit ein Ebaykonto zu eröffnen oder einen CD Schrank in der Stadt einzuweihen, ähnlich wie es die Bücherschränke gibt, dem ich dann das Physikbuch und Zivi weltweit und jeglichen anderen Prüll zugemutet habe. Oder vielleicht ist es dann doch mal Zeit einen Schuttcontainer zu organisieren. Aber zwischen den Käufen die mich damals schon kurz danach haben zweifeln lassen fallen mir wieder die alten Schätze in die Hand. Dinge die lange nicht mehr das Tageslicht gesehen haben. Screaming for vengeance. Eine kleine Tanzeinlage. Pleasures of the damned. Anflüge von Melancholie, wie er von dem ausgebrannten Pier erzählt. Kölner Totentanz. Beton der Sarg der Moderne. Silber leuchtend wie Neonröhren. Der sprechende Hund. Evelyn Hamann war schon gut. War wirklich gut. Atemübungen. Be my baby now. These chains. Fever. Die Plattennadel erwartungsvoll was weiter… ja alles gut. Eigentlich wirklich. Wenn hinter all den Jahren, wieder die Erinnerung durchleuchtet wird. Wenn man jedes Wort mitsingen kann. Wenn alles wieder hochkocht. Nichts ist vergessen. Nur eingeschlafen und in diesen Momenten wachgerüttelt. Dinge die alles überstanden haben. War gut. Ist gut. Und wird jetzt nach all den Jahren definitiv auch so bleiben. Vielleicht sogar besser. Wieder reinhören. Wieder lesen. Sich verlieren. Wieder verstehen. Schmunzeln. Feuchte Augen. Jetzt erst verstehen oder neu verstehen. Oder zumindest irgendetwas. Ein Gefühl zumindest. Cat scratch fever. Und erschrecken wie schnell die Jahre vergehen. Und wie wenig dazu gelernt wurde. Oder wie hoch der Standard mal war. Was war und was ist. Vergleichen. Jetzt wo man lange nicht mehr über West und Ostberlin nachgedacht hat. Die weißen Basketballstiefel. Die engen Jeans. 1985. Ruhrpottlegenden. Die puffigen Haare. 1985 ist tatsächlich schon 30 Jahre her. Kreator. Total Death. Ist 30 Jahre alt. Und hat den Test der Zeit überstanden. Mehr als das. Sie schüttelt nur abwertend den Kopf, während sie noch immer im Ikeasessel wippt und weiterrätselt. Das Kind, welches sie nie kannte. Für einen Augenblick in dieser Zeitkapsel. Schmunzeln. Innehalten. Innehalten. Skip. Zu gegebener Zeit dann besser nochmal alleine anhören. Definitiv sogar.